99 philosophische Rätsel

von Martin Cohen

Über

Wenn jemand erklären würde, alle Bewohner Kretas seien Lügner, wäre das zwar ziemlich dreist, aber ansonsten nicht sonderlich bemerkenswert. Ist es aber ein Kreter selbst, der dies behauptet, entsteht eines jener Paradoxa, die Philosophen so sehr lieben, weil die Gesetze der Logik in Frage gestellt scheinen und man sich stundenlang darüber den Kopf zerbrechen kann.

Wer Gefallen findet an solchen Gedankenspielen und kniffligen Rätsel ist mit Martin Cohens Buch wirklich gut bedient und kann sich am bekannten "Gefangenen-Dilemma" die Zähne ausbeißen oder sich in die scheinbar ausweglose Lage des "Friseurs vom Hindukusch" hineinversetzen, der laut strengem Befehl des Herrschers allen Untertanen die Haare zu schneiden hat, wobei sich aber niemand selbst einen Haarschnitt verpassen darf. Wer Rätsel wie dieses Barbierproblem für eine Kleinigkeit hält, erfährt von Cohen, dass selbst ein Großdenker wie Bertrand Russell "wochenlang kaum essen und schlafen konnte", weil er an dessen Lösung herumtüftelte.

Mit den Lösungen ist das überhaupt so eine Sache. Zwar nimmt der Lösungsteil fast die Hälfte des Buches ein, heißt aber wohlweislich nicht "Lösungsteil", sondern "Erörterungen". Denn ebenso wie in der Philosophie das Zweifeln und Fragen wichtiger ist als die Antworten, haben auch philosophische Rätsel eher selten eine konkrete Lösung -- sie dienen vielmehr als anschauliche Einführung in ein Problemfeld, eine Fragestellung.

Und weil dem so ist, kann man 99 philosophische Rätsel durchaus als eine Art Einführung betrachten, die "die ganze Schatztruhe philosophischen Denkens" vor einem öffnet -- weil neben der Logik noch ganz andere Bereiche der Philosophie wie Ethik, Erkenntnistheorie oder Religion mithilfe der Rätsel erschlossen werden. Auf recht witzige Weise erklärt Cohen Grundbegriffe der Philosophie, stellt wichtige Denker vor und macht Lust, diese Schatztruhe noch genauer zu inspizieren. Der Friseur vom Hindukusch übrigens floh angesichts seines Dilemmas in die Berge und hielt sich dort 20 Jahre lang versteckt. --Christian Stahl

Erschienen

1999

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