Das große Lesebuch

von Alfred Polgar

Über

Ein Jubiläum ist immer ganz praktisch. Manchmal werden dann Autoren wieder aufgelegt, die eigentlich schon halb vergessen sind. Im Oktober 2003 ist nun Alfred Polgar an der Reihe, der vor 130 Jahren geboren wurde.

Polgars frühere Werkausgabe, die von Marcel Reich-Ranicki und Ulrich Weinzierl herausgegeben wurde, ist zwar sehr gelungen, doch leider vergriffen. Deshalb ist es gut, dass Harry Rowohlt das Übersetzen ein wenig hintan gestellt hat und sich um eine neue Auswahl kümmerte. So entstand Alfred Polgar. Das große Lesebuch. Immerhin ist Polgar für ihn ein Vorbild, eines, das er sogar noch persönlich kannte, wie er im Vorwort schreibt.

Polgar war ein Meister der kleinen Form, dem das Leben zu kurz schien für lange Literatur. Er schrieb deshalb Feuilletons, Skizzen, eine Fülle von Rezensionen und Kritiken, Aphorismen und wieder Feuilletons. Und diese kurzen Texte darf man nicht unterschätzen. Immer wieder verblüfft, wie viel er darin verpacken konnte. So lässt sich gut demonstrieren, wie Texte, die eigentlich für den Tag geschrieben wurden, noch nach Jahrzehnten witzig, unterhaltend und sehr nahe sein können. Wohltuend ist dabei auch, dass seiner Sprache das heute übliche Knallige und Spektakuläre gänzlich abgeht.

Unter den Nationalsozialisten musste Polgar emigrieren. Nach dem Krieg kehrte er zurück, und man verpasste ihm schnell das Etikett eines Klassikers -- oder wie er es ausdrückte: "In Österreich ist ein empfindlicher Mangel an Klassikern ausgebrochen, und da musste ich eben aushelfen." Herumgereicht wurde er gerne, doch war sein intellektueller Witz und sein unbestechlicher Blick unbequem geworden. Genaue Beobachter stören immer, besonders wenn am Wiederaufbau gearbeitet wird und die früheren Jahre möglichst schnell vergessen werden sollten.

Diese Auswahl in diesem großen Lesebuch macht Lust auf mehr Polgar. Deshalb ist die Ankündigung erfreulich, dass ein weiterer Band folgen soll, diesmal mit seinen Theaterkritiken. --Tobias Hierl

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