Die Tochter

von Jessica Durlacher

Über

Es ist alles andere als Liebe auf den ersten Blick. Als sich Max Lipschitz und Sabine Edelstein im Amsterdamer Anne-Frank-Haus zum ersten Mal begegnen, ist die "Geschwätzigkeit" der jungen Jüdin dem Ich-Erzähler sogar zuwider. Aber Sabines Blick unter "bösen schwarzen Augenbrauen" bleibt Max dennoch in Erinnerung: Ein "Wir-sitzen-alle-im-selben-Boot-Blick", der erst beim zweiten Treffen faszinieren wird. Danach beginnt Max sich umso intensiver für Sabine zu interessieren, deren Verwandtschaft eine ebenso schreckliche KZ-Geschichte wie seine eigene erlitten hat.

Seit ihrem überraschenden Romandebüt Das Gewissen, das auf einfühlsame Weise über eine junge, moralisch scheinbar gleichgültige Nachkriegsgeneration und deren Konfrontation mit der Biografie ihrer Eltern berichtete, gilt die 39-jährige niederländische Autorin Jessica Durlacher als Spezialisten für den schmerzhaft-traumatischen Aufbruch längst vergessen geglaubter Vergangenheiten. Auch in Die Tochter erzählt sie aus der Sicht der Nachgeborenen vom langen Schatten einer grausamen (nationalsozialistischen) Vergangenheit. Und auch hier hat sie ihr Thema durch den Filter einer unmöglichen, schnell endenden Liebe fixiert: Die Beziehung von Max und Sabine nämlich währt nur ein knappes Jahr, bevor sich beide wieder aus den Augen verlieren. 17 weitere Jahre müssen vergehen, bis der Ich-Erzähler Max es wagt, sich über seine Gefühle und verpasste Chancen klar zu werden: "Ich hätte respektvoller mit jener Zeit umgehen müssen, das ist mir heute klar".

Die Liebe der Protagonisten in Die Tochter mag zwar kurzlebig sein. Durlachers Buch aber wird Bestand haben über die normale Verfallszeit der meisten Neuerscheinungen hinaus. Denn dass sie ebenso blendend wie sensibel erzählen kann -- und deshalb zu den großen Nachwuchshoffnungen der niederländischen Literatur zu rechnen ist --, das hat sie mit ihrem neuen Roman einmal mehr bewiesen. --Thomas Köster

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