Invasionen des Privaten

von Anna Kim

Über

Nach Grönland fahren, um sich selbst zu finden? In den Inuit, den Ureinwohnern dieses Landes, die Paradigmen der eigenen Existenz entdecken? Genau das beschreibt Anna Kim in ihrem Bericht über diese polare Insel, deren landschaftliche Schönheiten so weit weg sind von allem, was die Touristik uns als schön anpreist: die Kargheit, die Leere, die Farben und Formen von Eis, Schnee und Wasser.Anna Kim blättert die Kolonialgeschichte dieses Landes auf, eine Kolonialgeschichte, die so unerbittlich und so erniedrigend für seine Bewohner ablief wie jede andere koloniale Geschichte auf der Erde und die zu extrem beschädigten Identitäten führte und zu einem, bevölkerungspolitisch gesehen, großen Anteil an dänisch-grönländischen 'Mischlingen' – eine Mischkultur, die unter Zwang und unter großen Verlusten zustande kam. Was es bedeutet, hier Dänisch oder Grönländisch zu sprechen, was es bedeutet, anders auszusehen, als Teil welcher der beiden Kulturen man durchgeht oder eben nicht, welcher Preis an Geborgenheit bzw. Fremdheit zu bezahlen ist, wenn man sich in die Identitäts-Maschinerie von Einschluss/Ausschluss begibt – das zeigt Anna Kim, die in Südkorea geborene österreichische deutschsprachige Schriftstellerin, auf beklemmende Weise anhand von Beobachtungen und Gesprächen auf, die sie in Nuuk, der Hauptstadt Grönlands, führte.Und noch etwas rückt dieser wichtige Essay zurecht: dass Reisen auch das Ventil für die Sehnsucht sein kann, als eine existenziell Fremde endlich in adäquater Umgebung zu sein, endlich mit Fug und Recht fremd zu sein, freiwillig.

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