Monument für John Kaltenbrunner

Fiktion von Tristan Egolf

Über

Wenn sich eine ganze Provinzgemeinde bis auf die Knochen blamiert hat, ist es nicht verwunderlich, wenn das Kollektiv die Geschichte zu beschönigen sucht. Eben dies versuchen auch die Bewohner des amerikanischen Provinznestes Baker. Die Sache hat nur einen Haken: Es gibt dort ein paar gewissenhafte Menschen, die den gesamten Umfang der Ereignisse besser kennen, und da es sich hierbei um die ortsansässigen Müllmänner handelt, ist Tristan Egolfs Erstlingsroman Monument für John Kaltenbrunner wohl der erste Roman mit einem Müllmann als Erzähler. Aber das ist nicht das einzig Kuriose an diesem literarischen Debüt.

Egolf erzählt die Lebensgeschichte des John Kaltenbrunner, eines skurrilen Außenseiters und grandiosen Pechvogels, dem vom Schicksal und den Bewohnern Bakers immer wieder übel mitgespielt wird. Da er schon früh den Vater verloren hat und die Mutter seitdem in Lethargie verharrt, nimmt sich John noch vor seiner Pubertät vor, aus der maroden Farm ein florierendes Geflügelunternehmen zu machen. Alles läuft gut, bis ein verheerender Tornado die Farm in Schutt und Asche legt.

Aber damit nicht genug: Als seine Mutter schwer erkrankt, machen sich gierige "Methodistenvetteln" daran, John auch noch um den verbliebenen Rest an Hab und Gut zu bringen. John verbarrikadiert sich auf der Farm, bis er mit Gewalt herausgeholt und zu drei Jahren Arbeitsdienst auf einen Frachtkahn verurteilt wird. Und auch nach seiner Rückkehr findet der Unglücksrabe keine Ruhe: Immer wieder wirft ihn das Schicksal zu Boden und die Bewohner Bakers trampeln weiter auf ihm herum. Und erst als John bei der städtischen Müllabfuhr landet, bietet sich eine Chance auf die lang ersehnte Rache: Er führt die Müllmänner in einen Streik, der Baker einen Albtraum aus Dreck und Gestank beschert.

Egolfs Roman ist eine einzige gnadenlose Abrechnung mit dem Provinzleben. Süffisant und genüsslich zelebriert er eine Destruktionsorgie nach der anderen und treibt seinen Held wie dessen Widersacher in immer aberwitzigere Situationen. Ein bemerkenswertes Debüt, mit einem Helden, der das literarische Kabinett grotesker Figuren um ein vollwertiges Mitglied bereichert. --Harald Stucke

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