Quantenuniversum: Die Welt der Wellen und Teilchen

von Tony Hey

Über

Physiker sind schon komisch. Man muß offenbar schon reichlich verschroben sein, um sich mit Dingen wie Leptonen, Quarks und Spinzuständen auseinanderzusetzen -- oder gar Teilchen, die sich in der Zeit rückwärts bewegen. Mit dem Alltag hat das jedenfalls nichts zu tun. Oder doch?

Wer sich durch das Buch Das Quantenuniversum von Tony Hey und Patrick Walters gegraben hat, wird sich da vielleicht nicht mehr so sicher sein. Denn die Autoren machen klar, daß die Physik des Allerallerkleinsten verdammt weit in unsere Welt reicht. Ohne Quantenmechanik könnte man beispielsweise Laser und Computer mit ihren Siliciumchips vergessen. Schlimmer noch: Ohne die berühmten Quanten würden wir sogar ins Bodenlose sinken -- wenn es uns denn überhaupt gäbe, denn die Atome des Bodens und die Moleküle unseres Körpers würde es ohne die Quantenmechanik nicht einmal geben. Anlaß genug, den theoretischen Physikern einmal genauer auf ihre Tafeln zu schauen.

Was an Das Quantenuniversum gefällt ist die Leichtigkeit, mit der die Autoren den Leser durch die verschiedensten Gebiete der modernen Physik lotsen, vom Welle-Teilchen-Paradoxon bis zu den Gluonen, dem letzten Schrei aus dem physikalischen Kuriositätenkabinett. Rasant etwa der Schwung von der Supraleitung über das sonderbare Verhalten des flüssigen Heliums bis zu exotischen Spezialitäten wie der "Bose-Einstein-Kondensation". Hey und Walters gelingt es oft, die seltsamen Phänomene der Quantenwelt durch Vergleiche mit Alltäglichkeiten begreifbar zu machen. Von der schwingenden Saite zur Struktur des Atoms -- bei Hey und Walters nur eine Frage weniger Buchseiten. Wunderbar auch die netten Anekdoten über berühmte Physiker und die vielen hervorragenden Abbildungen -- Quantenprozesse zum Beispiel anhand verschiedener Entwicklungsstufen eines Photos zu verdeutlichen ist schon genial. So buchstäblich einleuchtend findet man Physik nur selten erklärt.

Leider werden Hey und Walters ihrem im Vorwort formulierten Anspruch, ein Buch über "Quantenmechanik für den Kaffeetisch" zu schreiben, nicht immer gerecht. Manche Kapitel, etwa dasjenige über das Leitungselektronenmodell der Metalle, bleiben etwas kryptisch, und spätestens auf den Seiten über die Quantenchromodynamik und die Elementarteilchenphysik der 80er Jahre dürfte bei manchem Leser ohne Physik-Vordiplom der Vorhang fallen -- hier geht den Autoren nach ihrem beispiellosen Parforceritt durch ihre Wissenschaft offenbar ein wenig die didaktische Puste aus. Dennoch: Aus etlichen Seiten sprühen "Aha"-Erlebnisse wie Neutrinos aus einem Teilchenbeschleuniger. Etwa, wenn die Autoren Details des Sonnenfeuers beleuchten, oder in den Kapiteln über Radioaktivität -- hier macht Das Quantenuniversum richtig Spaß.

Einer der berühmtesten und vielleicht sympathischsten Mitglieder im Club der Quantenphysiker war der 1988 verstorbene Nobelpreisträger Richard P. Feynman -- einige seiner inspirierenden Zitate finden sich auch im Quantenuniversum. "[...] ich denke, ich kann davon ausgehen, daß niemand die Quantenmechanik versteht", sagte er einmal. Stimmt nicht, Mr. Feynman! Wer sich in die 249 Seiten des Quantenuniversums vertieft, wird zwar anschließend noch nicht unbedingt in Harvard lehren, aber doch manche Dinge begreifen, vor denen Newton und Co. noch die Perücke geschüttelt hätten. Und das ist ja auch schon was. --Stefan Albus

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