Zufallsfamilie: Liebe, Drogen, Gewalt und Jugend in der Bronx

von Adrian Nicole LeBlanc

Über

Bei allem Mitgefühl mit den sozial Deklassierten in unserem Land, es könnte noch schlimmer kommen. Verglichen mit den Elendsvierteln der USA leben die Ärmsten der Armen bei uns noch in paradiesischen Verhältnissen. Brennpunkt Bronx, Hochburg der Latinos in New York: Schauplatz ist die Tremont Avenue, die sich fest in der Hand von Einwanderern aus Puerto Rico befindet. Wem dabei die West Side Story in den Sinn kommt, liegt richtig, wenngleich nur geografisch. Denn die gesellschaftlichen Abgründe, in die uns Adrian Nicole LeBlanc blicken lässt, haben nichts mehr mit der Musical-Romantik gemein.

Wo das Zusammenleben einst wenigstens noch ansatzweise den Spielregeln eines Ehrencodex folgte, der sich aus Religiosität, Familiensinn und Tradition speiste, herrscht inzwischen offenbar Chaos und Anarchie pur. Die Idole und Märchenprinzen von heute tragen rote Lederklamotten, dealen mit Heroin und landen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eher früher als später im Knast. Ihre „Puppen“ werden mit dreizehn zum ersten Mal schwanger und halsen die Säuglinge den eigenen drogensüchtigen Müttern auf, um sich ungestört ins Vergnügen stürzen zu können.

Zehn Jahre lang hat die Reporterin LeBlanc mehrere Jugendliche in der Bronx begleitet. In ihrem romanhaften Dokudrama erzählt sie konsequent aus der Sicht zweier junger Frauen von einem trostlosen Leben voller Aggression und Gewalt aber auch von Hoffnung und Sehnsucht, Liebe und Freundschaft. Trotz mäßiger Übersetzung spannend wie Hollywood-Kino. Eher unwahrscheinlich allerdings, dass sich umgekehrt Amerikaner für die Probleme von Jugendlichen in unseren Städten interessieren würden. Franz Klotz

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