City of God

Roman von E. L. Doctorow

Über

Als Kind versuchte ich manchmal, mir das ewige Leben vorzustellen -- so lange, bis sich in meinem Kopf alles zu drehen begann. Ähnliche Erfahrungen lassen sich bei der Lektüre von City of God machen, denn dieser Roman fragt nach den letzten und ersten Dingen, beleuchtet grundlegende Fragen der menschlichen Existenz abwechselnd aus religiöser, philosophischer oder naturwissenschaftlicher Perspektive. Also schwere Kost, "ein Ideenroman" (Joyce Carol Oates), verkopft und unzugänglich?

Weit gefehlt! Zwar ist Pfarrer Pemberton, die Hauptfigur, ein notorischer Zweifler vor dem Herrn, doch seine melancholischen Reflexionen werden elegant in ein weit verzweigtes, einigermaßen tragfähiges Erzählgerüst eingebunden. Alles beginnt damit, dass aus Pembertons Kirche ein Kreuz verschwindet und wenig später auf dem Dach einer benachbarten Synagoge auftaucht. Die Begegnung mit dem Rabbiner-Ehepaar Gruen ist der Beginn einer neuen Spurensuche, die alle drei schließlich bis nach Litauen führt.

Ausgangspunkt der Handlung ist New York, die "Hauptstadt erschöpfter Bäume", die "von Stunde zu Stunde unheimlicher wird". In brillanten Manhattan-Miniaturen beobachtet E.L. Doctorow das Leben in der Metropole mit einer Mischung aus Faszination und Furcht und verleiht so seinen luftigen Gedankengebäuden immer wieder die notwendige Erdenschwere. Gebannt taucht der Leser in dieses erzählerische Feuerwerk aus Geschichten und Formen ein, muss aber auch einiges an Denkanstrengungen und Disziplin aufbringen, um nicht den Faden zu verlieren.

Als letzte Pluspunkte seien genannt: die poetisch-präzise Sprache (fast makellos übersetzt) sowie -- ein Roman voller Ideen -- die Fülle an filmreifen Episoden. Zum Beispiel die mit dem vorzeitig pensionierten Zeitungsredakteur, der endlich mal eine Geschichte zum Abschluss und deshalb einen davongekommenen SS-Schergen eigenhändig zur Strecke bringen will. Am Ende überfährt er den Greis aus Versehen mit einem altersschwachen Fahrrad, das aus der Spur gerät. --Patrick Fischer

Erschienen

2000

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