In der äußersten Finsternis

von Oek de Jong

Über

Lins Vater Hokwerda ist ein merkwürdiger Mann. Immer wieder geht er mit der Tochter an die Ee, um sie mehrmals über den Schilfgürtel ins Wasser zu werfen. Danach läuft er zum Bootssteg, um das halb verängstigte, halb verzückte Mädchen in Empfang zu nehmen. „War das hoch?“ sagt Lin dann mit erwartungsvollem Blick, auf Friesisch. „Ja, das war hoch“, antwortet der Vater. „Aber es geht noch höher“.

Die verängstigte Verzückung dieser Kindheitserinnerung wird Lin auch in die Beziehung zu anderen Männern hinüberretten, zu einer Zeit, als sie schon längst nach Amsterdam gezogen ist. Hier begegnet sie dem acht Jahre älteren Henri. Es ist eine Mischung aus Anziehung und Abstoßung, eine Affäre voller Eros und tödlicher Bedrohung. Und ein ums andere Mal fühlt sich Lin, als würde auch Henri sie ins kalte Wasser werfen, um auszutesten, wie lang sie das ertragen kann. Dann begegnet Lin dem sensiblen Jelmer. Aber die Bande der Vergangenheit lassen die Frau so schnell nicht los…

Der niederländische Schriftsteller Oek de Jong, der sich in seiner Heimat vor allem auch als Essayist einen Namen machte, hat sich in seinen Romanen mit der Darstellung komplexer, zwischen Liebe und Gewalt changierender Beziehungen von Mann und Frau einen Namen gemacht. In Ein Kreis im Gras war es die Liebe der eigentlich sehr selbstbewussten holländischen Auslandskorrespondentin Hanna Piccard, die in Rom einem geheimnisvollen Fremden begegnet und sich ihm (zumindest teils) willig ausliefert. In In der äußersten Finsternis ist es das ebenso komplexe wie abgründige Verhältnis einer Tochter zu ihrem Vater, dass sich -- wie auf der Oberfläche des als Metapher genutzten Wassers -- in der Amour fou mit Henri spiegelt. Dabei setzt de Jong auch im neuen Roman nicht zuletzt auf überraschende Wendungen, die den Roman nicht nur immer wieder neu faszinierend, sondern auf hohem Niveau auch spannend werden lassen. Vielleicht geht das kaum mehr höher. --Isa Gerck

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