Ohne Blut

von Alessandro Baricco

Über

Anders als der Titel vermuten lässt, geht es in Ohne Blut ohne Blut nicht ab. Im Gegenteil: davon fließt reichlich. Der neue Roman von Alessandro Baricco handelt von Rache und Vergeltung. Von der grausamen Rache, die vier Männer nach irgendeinem Krieg an dem Mann üben, der während dieses Krieges sich selbst mit dem Blut der Feindesfrauen und -kinder besudelt hatte. Auch der Sohn des Gerichteten wird bei der Strafaktion auf einem entlegenen Bauernhof getötet. Nur die kleine Tochter überlebt in einem Erdloch, das der Vater ihr als Versteck angewiesen hatte, als er seine Henker kommen sah. Zwar wird sie von einem der Blutrichter entdeckt, doch der schweigt und schenkt ihr damit das Leben.

Ein Leben freilich, das für die Gerettete vor allem eines ist: qualvolle Buße für etwas, das sie selbst nicht zu verantworten hat. Und ein Leben, dem abermals die Rache zu seinem bestimmenden Inhalt wird. Fast schon am Ende dieses Lebens -- und nachdem alle anderen an der Hinrichtung Beteiligten schon selbst Opfer ihrer Tat geworden sind -- taucht das Mädchen vor der kleinen Losbude auf, in der ihr damaliger Retter seinen Lebensunterhalt verdient.

Ohne Blut ist der fünfte Roman aus der Feder Alessandro Bariccos und ein kleines Meisterwerk. Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass sich schon bald der eine oder andere Drehbuchautor über dieses Buch beugen wird, um es mit großer Lust zu durchpflügen. Ein noch größeres Vergnügen nämlich als die bloße Lektüre dürfte es machen, die Fäden der Geschichte versuchsweise einmal hier und dort aufzunehmen, um sie mal aus dieser, mal aus jener Perspektive, mal mit diesem Anfang und jenem Ende, mal chronologisch dem Roman folgend, mal die Mitte an den Anfang oder ans Ende setzend zu erzählen. Baricco schreibt, so hat es den Anschein, nicht weniger als für den Leser für das Kino. Das war bereits bei Seide so und bei Novecento war es nicht anders. Ohne Blut aber ist in dieser Hinsicht vollkommen. --Andreas Vierecke

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